Hut ab vor den Schauspielern, die ihren Raum hervorragend nutzen
Ein paar Gegenstände zur Ausstaffierung der Wohnung von Familie Wolff, eine Guillotine für den Amtmann - mehr Kulisse ist nicht wirklich.
Anders sieht es da schon bei Beckers Kostümen aus, die die zeitgenössische Garderobe des 1893 uraufgeführten Stückes nachempfinden. Und beim atmosphärischen Spiel mit Licht und Schatten unter der Leitung von Albrecht Rau und der Maske unter der Leitung von Grit Anders, die den Protagonisten schrille Gesichtsfarben verpasst, was die ironische Skurrilität noch steigert. Kurzum, eine schlichte und funktionale Bühne, die dank Licht und Maskerade atmosphärisch ordentlich aufgeladen ist: Das gibt den Schauspielern großen Raum zur Entfaltung. Sie wissen ihn wirklich famos zu nutzen.
Allen voran Christine Reinhardt, die eine verschlagene Mutter Wolffen spielt. Kein Wässerchen kann diese Frau trüben, dabei hat sie es, quasi aus der Not der ärmlichen Verhältnisse heraus, wirklich faustdick hinter den Ohren. Vor praktisch keinem Diebstahl schreckt sie zurück, und es ist beeindruckend zu erleben, wie es Reinhardt gelingt, die verbrecherischen Seiten der Hausmutter hinter einer Fassade von Wohlanständigkeit zu verbergen.
Hut ab, auch vor Sebastian Muskalla, der als Amtsvorsteher Baron von Wehrhahn lautstark schwadronierend durch die Szenerie poltert und in seiner lächerlichen Weltfremdheit ein ums andere Mal die Lacher auf seiner Seite hat. Das macht richtig viel Spaß, denn Muskalla, der in Intendant Matthais Faltz Version von Gogols "Revisor" eine sehr ähnliche Figur spielt, ist diese Rolle praktisch auf den Leib geschrieben.
Eine tiefe Verbeugung auch vor Thomas Streibig, der einen höchst streitbaren und unausstehlichen Rentier Krüger auf die Bühne bringt, und vor Jürgen H. Keuchel als Julius Wolff. Wie gewohnt strahlt der gestandene Keuchel eine massive Präsenz aus, die dem Familienvater eine Art Zwiespältigkeit einschreibt.
Das Ensemble lässt es auf der Bühne am Schwanhof so richtig krachen
Zum einen ist er das ruppige Familienoberhaupt mit Herrschaftsanspruch. Das zum anderen aber unter der Fuchtel der Frau des Hauses steht, und Keuchel bringt diesen Pantoffelhelden in Patriarchenmaskerade wirklich gut rüber - das Durchsetzen, auch gegenüber Sohn Leon, den Ogün Derendeli gekonnt als verhätscheltes Bübchen gibt, haut nicht so richtig hin.
Besonders schrille und gerade deshalb gelungene Auftritte haben Julia Glasewald als völlig abgedrehte Wolff-Tochter Adelheid, Johannes Hubert als verklemmter Dr. Fleischer und Thomas Huth als zutiefst gechillter Hehler und Schiffer Wulkow. Genau wie Derendeli, der auch den Amtsschreiber Glasenapp gibt, spielt Johannes Hubert eine Doppelrolle und taucht gemeinsam mit Tobias M. Walter auch als ein Teil des Gespanns der durchtriebenen Motes-Brüder auf. Fabian Baumgarten als Amtsdiener Mitteldorf rundet die exquisite Leistung des gesamten Ensembles ab.
Damit zum Fazit: Wortel hat eine schwungvolle und höchst unterhaltsame Biberpelz-Version auf die Bühne gebracht, gerade weil er auf Ausstattungsdominanz und Firlefanz verzichtet und seinen Schauspielern freien Lauf lässt. Die danken das mit hervorragenden Leistungen und lassen es auf der Schwanhofbühne - übrigens ganz im Sinne Gerhart Hauptmanns - mal so richtig krachen und kräftig menscheln. Prädikat: höchst sehenswert. Weitere Aufführungen am 14. November und 28. Dezember um 19.30 Uhr und am 31. Dezember um 16 und um 20 Uhr.