Oberhessische Presse, 17. november 2014


Das Dschungelbuch

Turbulentes Spiel mit der Illusion

Am Samstag hatte „Das Dschungelbuch“ im ausverkauften Theater am Schwanhof Premiere. Bis in den Januar hinein wird das Familienstück gespielt. Kinder und Erwachsene werden sich ein wenig wundern.


Marburg. Wer kennt sie nicht, die Geschichte des Findelkinds Mogli, der im Dschungel lebt. Aufgewachsen bei Wölfen, wohl behütet von seinen Freunden – dem netten, tapsigen Bären Balu und dem klugen Panther Baghira.

Erfunden hat die Figuren 1894/95 der Engländer Rudyard Kipling, der 1907 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Doch wer heute an „Das Dschungelbuch“ denkt, meint nicht Kiplings Sammlung von verschiedenen Erzählungen, sondern den gleichnamigen Walt-Disney-Trickfilm aus dem Jahr 1967.

Dieser Film spielt zwar mit Kiplings Motiven, erzählt aber eine ganz eigene Geschichte mit neuen Figuren wie etwa King Louie, Colonel Hathi oder einer ziemlich schrägen Geiertruppe. Zentraler Bestandteil und Garant für den unglaublichen Erfolg des Films sind die vielen Songs, von denen einige wie der Hit „Probier‘s mal mit Gemütlichkeit“ auch in der Marburger Produktion zu hören sind.

Im „Dschungelbuch“ des Hessischen Landestheaters ist ansonsten vieles ziemlich anders. Regisseur Marc Wortel nutzt für seine Inszenierung die Theaterfassung von Matthias Lösch und Peter Seuwen. Und Wortel macht aus dem „Dschungelbuch“ kein fantasievolles Urwaldmärchen, sondern ein Stück im Stück. Damit verlangt er vor allem den kleinen Zuschauern ein hohes Abstraktionsvermögen ab. Denn die finden keinen Dschungel vor, sondern eine Theaterbühne, auf der das Dschungelbuch gespielt werden soll.

Vor Weihnachten gibt es also keine Dschungelträume, sondern stattdessen eine stark überzeichnete Theatergeschichte. Panther Baghira ist der Regisseur dieser Truppe. Artur Molin legt ihn als etwas tuntigen, ziemlich hysterischen „Ich-kann-so-nicht-arbeiten“-Künstler an. Baghira schmeißt Shir Khan (Stefan A. Piskorz), den Star der Truppe, raus. Der will eigentlich das Findelkind Mogli spielen, brüllt aber nicht zart genug, und wird kurzerhand gegen einen jungen Darsteller (Maximilian Heckmann) ausgetauscht, der im Publikum sitzt und nicht so recht weiß, wie ihm geschieht. Und kaum auf der Bühne, hat er schon einen Feind, eben den Tiger Shir Khan, der sich so etwas nicht bieten lässt und Mogli und einigen kleinen Besuchern klar macht: Ich fress‘ euch auf.

Auf der Bühne warten eine aufgeregte Regieassistentin (Leonie Rainer) mit Dressurpeitsche, der König der Affen (Gerard Skrzypiec) und die Schlange Kaa (Julia Glausewald als züngelnder Vamp), die sich mit betörendem Augenaufschlag sofort auf Mogli stürzt.

Und Bär Balu (Ogün Derrendeli), der heimliche Held des Films? Der ist der faulste Schauspieler von allen und kommt Pizza futternd und gekleidet in einen alten abgetragenen Bademantel natürlich wieder einmal zu spät zur Probe.

Verblüffend ist, wie sich aus dieser Theaterkonstruktion ganz allmählich die bekannten Motive des Films herausschälen – die Zuneigung zwischen Baghira, Balu und Mogli, die bedrohliche Gier des hungrigen Tigers Shir Khan, der nichts unversucht lässt, um den jungen Mogli in die mit dicken Ringen behängten Hände zu bekommen, die listenreichen Finten der Schlange Kaa.

Als Spielfläche dient eine etwas vergrößerte Bühne mit einem Steg, der in den Zuschauerraum hineinragt. Das Bühnenbild ist schlicht gehalten. Im Zentrum steht eine kleine, gemalte Dschungellandschaft, die dennoch den Blick freigibt auf den schwarzen Bühnenhintergrund mit Requisiten, Kabeln und Türen. Es geht Regisseur Wortel ja schließlich um das Spiel mit dem Theater, nicht um eine Dschungelillusion.

Dass in den 70 Minuten angesichts so dieser Irritationen dennoch viel Spaß aufkommt, liegt einerseits an der Musik, die live von dem Pianisten Jacob Bussmann gespielt wird, sowie an den Darstellern selbst, die sich mit großer Spielfreude in die oft turbulenten und haarsträubenden Szenen stürzen.

Am Ende gab es bei der Premiere viel Applaus für die Darsteller und die Inszenierung, die vermutlich Erwachsenen und Jugendlichen wegen der zahlreichen witzigen Anspielungen deutlich besser gefallen dürfte als den eigentlichen Adressaten.

Die Schulvorstellungen sind nahezu alle ausverkauft. Karten gibt es noch für die Familienvorstellungen am 29. und 30. November, am 6., 20. und 22. Dezember jeweils um 16 Uhr sowie am 20. Dezember um 18 Uhr.

von Uwe Badouin



Erschienen auf OsthessenNews.de

17.12.14 - FULDA

"Einfach kindisch"

Nervenaufreibendes DSCHUNGELBUCH für Kinder ab 5 Jahren im Schlosstheater

Licht aus, Kinder an! Einmal mehr fanden im Fuldaer Schlosstheater am Mittwochvormittag zwei Kindervorstellungen statt, zu denen sich jeweils zwischen 600 und 700 Schüler im Theatersaal einfanden. Vornehmlich Schülergruppen jüngerer Altersstufen besuchten die Vorstellungen von Rudyard Kiplings „Das Dschungelbuch“. Das Gastspiel gab das Hessische Landestheater Marburg am Montag und Dienstag gleich viermal – dreimal vollständig ausverkauft, einmal fast.


Mit großen Augen, zwischen Begeisterung und Mitgefühl hin- und hergerissen sahen die jungen Theaterbesucher sich das Stück an. Bereits mehrfach verfilmt, ist der Inhalt von Kiplings Erzählung wohl bekannt, diese Inszenierung aber verarbeitete die Geschichte rund um das menschliche Findelkind Mogli, das im Dschungel eine tierische Familie findet, ganz anders.


Mit Erlöschen der Saalbeleuchtung schwoll der Geräuschpegel auf und vor der Bühne an. Kreischende Kinder, vollkommen in der Ekstase des Theatererlebnisses. Die Geräuschkulisse sollte nur zuweilen abklingen, bezeugte aber die große Anteilnahme der Jungen und Mädchen. Das Dschungelbuch des Landestheaters ist ein Stück im Stück. Wir befinden uns in einer Theaterprobe. Die Darsteller jedoch sind nicht als Tiere verkleidete Menschen, sondern eine Art Zwischenwesen – Fabelwesen, sprich Tiere mit menschlichen Zügen. Panther Bagheera (gespielt von Artur Molin) ist der Regisseur, der die schauspielerische Leistung des anfänglichen Moglidarstellers – hier spielt Tiger Shir Khan (Stefan A. Piskorz) den Mogli – kritisiert und mit einer Neubesetzung aus den Reihen des Publikums dessen Zorn entfacht. Piskorz gibt einen überragenden Shir Khan ab. Er brüllt, tänzelt tatsächlich wie ein Raubtier über die Bühne und jagt Mogli bis zu seinem eigenen Ende.

Der neue Mogli ist Maximilian Heckmann. Er ist mit seinen akrobatischen Einlagen und seinen humorvollen Tanznummern– das Jugendwort „Körperklaus“ trifft es hier sehr gut – ein unterhaltsamer Augenschmaus. Manche der Kinder schämten sich hörbar, andere lachten lauthals und amüsierten sich köstlich.

Julia Glasewald als Schlange Kaa versucht binnen kurzer Zeit fast alle anderen Figuren zu bezirzen, um sie dann zu verschlingen. Als eine Mischung als Marylin Monroe, Marlene Dietrich und Nina Hagen, gleitet sie über die Bühne und ist herrlich überzogen in ihrer Darstellung. Die Kinder scheinen sie zu mögen, wirken ob ihrer Darstellung aber weniger amüsiert als die anwesenden Erwachsenen.

Der faule, verfressene Balu (gespielt von Ogün Derendeli) unterhält vor allem durch seine Gesangseinlage mit „Probiers mal mit Gemütlichkeit“ . Engagiert klatschen und singen die jungen Zuschauer dabei mit und es ist eine wahre Freude, zu sehen, wie leicht das Leben doch sein kann, wenn man denn Kind ist. Die Freundschaft zwischen Balu und dem Menschenkind wird dann auf der Bühne deutlich, wenn sie voneinander lernen und abseits der Bühne die Kinder aufstehen, mit offenem Mund oder laut lachend dem Wechselspiel der Figuren folgen. Ihre Liebe zu Mogli dann, wenn Shir Khan ihm nach dem Leben trachtet und die Kinder – vollkommen ohne Aufforderung – leidenschaftlich rufen und versuchen, Mogli zu warnen.


Einfach kindisch

Die Figuren dieser Version der 1894 erstmalig erschienen Erzählung sind wunderbar überzogen, menschlich und tierisch zugleich. Eben so, wie es sein sollte. „Kindisch und lustig“ quittiert ein Junge aus den hinteren Reihen die Handlung und hätte es wohl kaum besser sagen können. Kindisch und lustig ist die Inszenierung des Dschungelbuchs für Kinder ab fünf Jahren und das ist gut so, denn zu viel Ernst muss auch nicht sein. Trotz, oder gerade wegen Popel- und Pupswitzen, ist die Inszenierung toll für kleine (vielleicht erstmalige) Theaterbesucher und zeigt spielerisch wie Theater, aber eben auch, wie Freundschaft und Lernen funktionieren können. Lediglich die Lautstärke ist etwas zu bemängeln. Aus technischen Gründen gehen die Darsteller besonders in nervenaufreibenden Passagen im Kindergeschrei unter.

(Sabrina llona Teufel)+++



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