Erschienen bei den Leserkritiken auf www.nachtkritik.de am 29. April 2010


Mörderischer Eigennutz

«Die Herren Erben» nach Saltykow im bat-Studiotheater

Horst Rödiger

 

Gegen Ende der Wintersaison schickt das bat-Studiotheater noch einmal eine Auswahl aus dem 4. Studienjahr im Fach Schauspiel und Regie der Hochschule „Ernst Busch“ auf die Bühne, um Proben des inzwischen erreichten Könnens vorzuführen.

Spielanlaß sind Szenen nach dem Roman „Die Herren Golowlew“ des russischen Satirikers Michail Saltykow von 1880, für die Bühne bearbeitet von Marc Wortel, der auch Regie führt, und dem Dramaturgen Thomas Wieck. Im Gewand des harmlosen Familienromans geißelt  der Autor, unbehelligt von der zaristischen Theaterzensur, den Eigennutz, die Habgier und die Bigotterie in einer Gutsbesitzerfamilie, die sich im Laufe von zwei Stunden systematisch und gegenseitig vom Leben zum Tode befördert.

Marc Wortel stellt eine konsequente Satire auf die Bretter und verknüpft eine ganze Reihe von Kabinettstückchen seiner Akteure zu einem ebenso unterhaltsamen wie durch unversiegte Aktualität nachdenklich stimmenden Abend. Die Bühne von Felicia Grau besteht aus einer hochragenden Holzwand mit einigen Fenstern wie beim Adventskalender, die man auf mannigfache Weise zum Szenenwechsel nutzen kann. Renske Kraakmans Kostüme sind einfach und raffiniert zugleich. Die musikalischen Kompositionen von Daniel Schellongowski und Damian Scholl bringt Age-Freerk Bokma per Harmonium und Orgel (vom Band) feinfühlig in die Handlung ein.

Was aber die Aufführung trägt, sind die immer aufs Neue überraschenden Künste der Schauspieler in zumeist die Figur und das Geschlecht wechselnden Rollen.  Gleich zu Beginn hat der überaus wandlungsfähige Toni Jessen als Anna Wladimirowna einen kurzen pantomimischen Auftritt, dessen satirische Überzeichnung zum szenischen Leitmotiv für die ganze Präsentation wird. Geradezu unvergeßlich André Kaczmarczyk, der dem Porfiri mit souveräner Sprechtechnik und  öliger Selbstgerechtigkeit Profil bis zum schmerzlichen Ende gibt, unterstützt von einer virtuos ondulierten Haartracht. Lisa Guth ist Aninka und hat zusammen mit Robert Prinzler unter anderem ein paar hinreißende, an Brecht und andere erinnernde Songnummern. Nach der Pause ruft sie mit Knefs „Für mich solls rote Rosen regnen“ die Zuschauer wieder auf die Plätze, mit Beifall auch von drei drollig maskierten Gardesoldaten bedacht. Julia Reznik spielt zunächst die Gutsbesitzerin Arina Petrowna zwischen Stolz und Zerknirschung, dann die von Porfiri umgarnte Köchin Eupraxeja, die in grotesken Geburtswehen vor aller Augen unter anderem einen Sohn gebiert. Zuverlässig, komisch, bedrohlich oder auch mal kleinlaut ist Hajo Tuschy, der Pawel und Wolodja sowie gegen Ende sogar die Hebamme Ulita verkörpert.

Eine fabelhafte Leistungsschau dieser Schauspieltruppe, die sich erkennbar auch immer als gutes Team versteht. Langer Beifall vom Premierenpublikum, in dem auch viele Kommilitonen der Akteure sitzen.



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